Weltmarkt der Zukunft geht nicht ohne Klimaschutz | Expert*innenbeitrag
Der Beitrag geht auf die ökonomischen Chancen einer dekarbonisierten Wirtschaft ein. Immer mehr Unternehmen erkennen das und nehmen Klimaschutz in das Kerngeschäft auf. So ist Klimaschutz keine Last, sondern ein Gewinn.
Inhalt
Relevanz von Klimaschutz für Unternehmen
Immer mehr CEOs erkennen, dass die größte Gefahr für den Wirtschaftsstandort in der Klimakrise liegt. Immer mehr Unternehmen setzen heute schon auf Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft. Immer mehr Gründungen sind grün. Und auch die Wissenschaft ist sich einig – wir müssen JETZT handeln, denn das jetzige Jahrzehnt ist für das Klima entscheidend. Der Umbau unserer Wirtschaft hin zu einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft ist hier der zentrale Hebel. Der russische Angriffskrieg macht uns allen in brutaler Weise deutlich, wie wichtig der schnelle Ausbau hin zu 100 Prozent erneuerbaren Energien auch für die Unabhängigkeit und Sicherheit Deutschlands ist.
Auch die Entwicklungen auf den Finanzmärkten treiben das Thema. Hier sind einige aktuelle Beispiele aus der Regulatorik zu nennen, die relevant für die Wirtschaftsunternehmen sind:
- ESG-Kriterien werden wichtiger; auch institutionelle Investoren und Private-Equity-Firmen setzen verstärkt auf ESG
- Das Thema ist nicht mehr nur im Nachhaltigkeitsmanagement verortet, sondern wird zentrales Thema für die Unternehmensstrategie
- Brüssel wird nach der grünen EU-Taxonomie auch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) einführen
ESG (Environmental Social Governance) mit Kriterien aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung... ... hat sich im Bereich der Evaluierung nachhaltiger Anlagen etabliert. Um den Beitrag der Unternehmen zur nachhaltigen Entwicklung abzubilden, werden z.B. CO2-Emissionen (Umwelt), Diversity und Gesundheitsschutz (Soziales) und Steuerungsprozesse (Unternehmensführung) dargestellt. |
Unternehmen müssen künftig Teil der Lösung sein
Die Investitionen der Zukunft werden im Klimaschutz liegen. Der Weg zu Netto-Null (den ja auch die Klimahelden begleiten) kann das größte Wirtschaftsprogramm seit der Erfindung des Computers sein. Hier tun sich riesige Märkte auf – Philipp Schröder, Gründer von 1KOMMA5° bringt es so auf den Punkt:
„Kein börsennotierter Konzern wird es sich in Zukunft noch leisten können, das eigene 1,5°-Budget zu verfehlen” - Handelsblatt, 01-2022
Wir müssen die gesamte Energieversorgung auf erneuerbare Energien umstellen und alle Prozesse in der Industrie grundlegend umbauen. „Klimaneutralität“ bedeutet, dass alle Wirtschaftsbereiche weltweit in 20 bis 30 Jahren keine CO2-Emissionen mehr aufweisen dürfen – also keine fossilen Ressourcen wie Öl, Gas oder Kohle mehr nutzen dürfen. Weder direkt zur Erzeugung von Strom, Wärme, Kälte oder Prozessdampf. Noch indirekt durch den Einsatz von Koks in der Stahlerzeugung oder dem „Brennen“ von Kalk in der Zementindustrie. Unternehmen, die hier Lösungen liefern können, werden zukunftssicher aufgestellt sein.
Boston Consulting Group (BCG) und World Economic Forum stellen in ihrer aktuellen Studie fest, dass die Umstellung der Geschäftstätigkeiten auf Netto-Null-Emissionen Unternehmen langfristige Wettbewerbsvorteile bringen kann [1]:
Unternehmen haben Wettbewerbsvorteile durch Netto-Null-Emissionen.
Und so ist ja auch die CO2-Bepreisung ein Instrument, um Marktgeschehen zu ermöglichen. „Es handelt sich nicht um Mehrkosten, sondern um die Sichtbarmachung bereits anfallender Kosten“ so Prof. Claudia Kemfert [2]. Denn die Kosten der klimaschädlichen CO2-Emissionen waren viele Jahre unbepreist - und quasi unsichtbar. Doch die Klimaschadenskosten sind trotzdem angefallen und von der Gesellschaft an anderer Stelle getragen worden.
Märkte der Zukunft
Die Märkte der Zukunft liegen in der erneuerbaren Energieerzeugung und in kombinierten Kraftwerken mit Wind, Photovoltaik und Speicheranlagen. In Ländern wie den USA ist der Strom aus solchen regenerativen Kombikraftwerken längst billiger als der Strom aus fossilen Anlagen. Zusammen mit einem intelligenten Netzbetrieb und smarten Anwendungen in den Bereichen Gebäude, Energie und Mobilität.
Erneuerbare Energien liegen in wichtigen Märkten der Zukunft.
Die Bundesregierung wird im Sommer das Klima-Sofortprogramm verabschieden: Im Programm werden u.a. ein Förderprogramm zur Elektrifizierung kommunaler und gewerblicher Flotten und die großzügige Sonderabschreibung für vollelektrische Firmenwagen erwartet. Die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität sowie das Umweltbundesamt empfehlen darüber hinaus schärfere CO₂-Grenzwerte für Neuwagen, E-Auto-Quoten und ein Ende der Subvention fossiler Antriebe. Für den Gebäudesektor erwarten wir ein Aufbauprogramm und eine Qualifikationsoffensive Wärmepumpe und die Vorgabe, dass ab 2024 neue Heizungen mindestens mit 65 Prozent über erneuerbare Energien laufen müssen. Diese Maßnahmen gehen in die richtige Richtung. Dennoch müssen auch klimaschädliche Subventionen abgebaut und Klimaschadenskosten noch stärker eingepreist werden.
„Wenn die Politik die richtigen Rahmenbedingungen setzt, können sich europäische und deutsche Unternehmen Klimaneutralität als Weltmarkt der Zukunft erschließen.”
Über die Autorin
Dr. Katharina Reuter gibt als Geschäftsführerin des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft dem progressiven Mittelstand eine Stimme. Als Keynotespeakerin und mit ihren Impulsen und Podcasts zu Themen wie wahre Preise, nachhaltiger Unternehmensführung oder Kreislaufwirtschaft trägt sie aktiv zur öffentlichen politischen Debatte bei. Sie ist Mitbegründerin von Entrepreneurs For Future und der European Sustainable Business Federation. Ihre Expertise wird u.a. in der Jury des Deutschen Umweltpreises und im Beirat der Klimahelden geschätzt. Ehrenamtlich engagiert sich Reuter im Aufsichtsrat der Regionalwert AG Berlin-Brandenburg.
Der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW e.V.)... ... ist seit 1992 die politische Stimme für eine zukunftsorientierte Wirtschaft. Der unabhängige Unternehmensverband setzt sich für Umwelt- und Klimaschutz ein, ist als gemeinnützig anerkannt und führt eine Reihe von Bildungsprojekten durch. Der Verband und seine 560+ Mitgliedsunternehmen zeigen: Wirtschaft, Soziales und Ökologie gehören zusammen. Über seinen europäischen Dachverband Ecopreneur.eu bezieht der Verein auch in Brüssel Stellung. |
Fazit
Die Märkte der Zukunft liegen im Klimaschutz. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland wird ganz entscheidend sein, ob (und wie schnell) der Umbau hin zu einer unabhängigen und sicheren Versorgung mit 100 Prozent erneuerbaren Energien gelingt. Der Weg zu Netto-Null kann das größte Wirtschaftsprogramm seit der Erfindung des Computers sein. Hier tun sich riesige Märkte auf – alle Prozesse in der Industrie müssen grundlegend umgebaut werden. Klimaneutrales Europa bedeutet, dass alle Wirtschaftsbereiche in 20 bis 30 Jahren keine CO2-Emissionen mehr aufweisen dürfen – also keine fossilen Ressourcen wie Öl, Gas oder Kohle mehr nutzen dürfen. Wenn die Politik die richtigen Rahmenbedingungen setzt, können sich europäische und deutsche Unternehmen Klimaneutralität als Weltmarkt der Zukunft erschließen.
Warum richtige Rahmenbedingungen auch für zukünftige Generationen finanziell ein Ersparnis sind, erfährst du in unserem Premiumbeitrag. Dabei erklären wir 4 Kostenfaktoren, welche bislang zu wenig Berücksichtigung in der Preisbildung klimaschädlicher Produkte finden.
Quellen:
[1] Boston Consulting Group: 2022. BCG-WEF Project: The Net-Zero Challenge. BCG, URL: https://www.bcg.com/about/partner-ecosystem/world-economic-forum/ceo-guide-net-zero.
[2]Kemfert, Claudia: 2021. FDP-Chef Lindner macht beim CO2-Preis einen Denkfehler. Handelsblatt, URL: https://www.handelsblatt.com/meinung/homo-oeconomicus/gastkommentar-homo-oeconomicus-fdp-chef-lindner-macht-beim-co2-preis-einen-denkfehler/27160670.html.